AADORF – Vor einem interessierten Publikum im katholischen Pfarreizentrum Aadorf sprach er am letzten Donnerstag über die Herausforderungen, denen sich die Kirche in der modernen Gesellschaft stellen muss, und eröffnete zugleich Perspektiven für eine lebendige und vielfältige Kirche von morgen.
«Haben wir alles richtig gemacht?» – Diese Frage, die sich Menschen oft retrospektiv in ihrem Leben stellen, zog sich wie ein roter Faden durch das Referat. Der Theologe stellte fest, dass heutige Gesellschaften zunehmend Schwierigkeiten haben, mit Fragen nach Sinn und Hoffnung umzugehen. Frühere Generationen konnten sich stärker auf traditionelle Institutionen und Ressourcen verlassen, um Kontingenz – die Ungewissheit des Lebens – zu bewältigen. Doch heute verlieren Institutionen wie Staat, Medien und auch die Kirche an Bedeutung.
Ein eindrückliches Beispiel lieferte die Corona-Pandemie: «Noch nie zuvor wurde uns die Verletzlichkeit des Lebens so stark bewusst», sagte Bünker. Die Kirche hätte in dieser Zeit eine zentrale Rolle einnehmen können, doch vielerorts fehlte es an relevanten Botschaften und spiritueller Begleitung. Stattdessen habe sich die Krise der Institution Kirche weiter verschärft – sichtbar etwa in der sinkenden Bedeutung von Gottesdiensten oder der Distanz vieler Menschen zur kirchlichen Gemeinschaft.
Neue Wege in der Glaubensvermittlung
Besonders kritisch zeigte sich der Referent in Bezug auf die Glaubenskommunikation. «Wir stecken unsere gesamten Ressourcen in Kinder und Jugendliche, vernachlässigen jedoch Erwachsene», so der Experte für Pastoralsoziologie. Viele Menschen hätten nach ihrer Jugend keinen Raum mehr, um sich mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen oder existenzielle Fragen zu stellen. «Wir sind religiöse Analphabeten geworden», stellte er fest und forderte eine Verschiebung der Ressourcen hin zu lebenslanger Glaubensbildung.
Auch die Struktur der Kirche müsse überdacht werden. Junge Menschen seien nicht grundsätzlich unempfänglich für Religion, doch die gegenwärtige Form der Kirche sei für sie oft nicht relevant. Synodalität – das gemeinsame Gehen und Entscheiden – sei eine Möglichkeit, neue Formen der Beteiligung zu schaffen. Bünker forderte, die Kirche müsse vielfältiger und lebensnaher werden, um den Menschen wieder Hoffnung und Orientierung zu bieten.
Eine Kirche der Zukunft gestalten
In seinem Ausblick zeigte sich der Theologe dennoch optimistisch. Die Kirche habe die Ressourcen und Strukturen, um sich neu aufzustellen. Entscheidend sei es, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, und ihnen Räume zu geben, in denen sie ihren Glauben leben können. «Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft der Kirche, wenn wir Zeichen der Hoffnung geben», betonte der Referent.
Im Anschluss an das Referat hatten die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Themen wie die Rolle des Vatikans oder die Gleichstellung von Frauen in der Kirche wurden intensiv diskutiert.
Emanuela Manzari
Zur Person – Dr. Arnd Bünker
Ausbildung: Studium der katholischen Theologie in Münster (Deutschland) und Belo Horizonte (Brasilien) sowie Sozialpädagogik in Münster.
Beruflicher Werdegang: Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent am Institut für Missionswissenschaft der Universität Münster, langjähriger Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI).
Aktuelle Tätigkeit: Geschäftsführer der Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz und Titularprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg.
Dr. Arnd Bünker studierte katholische Theologie in Münster, Deutschland, und Belo Horizonte, Brasilien sowie Sozialpädagogik in Münster. Er arbeitete elf Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent am Institut für Missionswissenschaft der Universität Münster. 2009 wurde er Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) und übernahm die Geschäftsführung der Pastoralplanungskommission (heute Pastoralkommission) der Bischofskonferenz. Seit 2014 ist Arnd Bünker Titularprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg.