Liebe Leserinnen und Leser
Im Augenblick gehen mir sehr viele Gedanken durch den Kopf. Ich sitze vor meinem MacBook und überlege, was ich schreiben möchte. Das ist gar nicht so einfach, wie ich es mir eigentlich vorgestellt habe… Der 31. Juli 2025, mein letzter Arbeitstag als Pfarrer der Pfarrei St. Aurelia Aadorf-Tänikon (oder ganz streng kirchenrechtlich als Pfarradministrator), ist für mich zwar noch weit weg. Aber die gut neun verbleibenden Wochen vergehen schnell! Noch schneller kommt der 29. Juni. Dann feiere ich in der Klosterkirche St. Bernhard Tänikon um 10.00 Uhr meinen offiziellen Abschiedsgottesdienst.
Der 29. Juni ist in diesem Jahr für mich ein symbolisches Datum: 1986 – 29. Juni – 2025: 39 Jahre. Damals feierte ich mit vielen lieben Menschen in der Franziskanerkirche in Luzern meine Primiz, gefolgt von einem unvergesslichen Fest. Gleichzeitig war das auch der Abschied von meiner Heimatgemeinde, die mir viel bedeutet und gegeben hat, um meine Tätigkeit als Seelsorger zu beginnen. Und genau 39 Jahre später feiere ich – hoffentlich auch wieder mit vielen lieben Menschen – meinen Abschied aus dem hauptberuflichen Leben und den Übergang zu meiner Pensionierung.
«Alles hat seine Zeit, für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit» so lesen wir im Buch Kohelet. Es kommt wie damals erneut die Zeit eines Neubeginns auf mich zu, aber er ist anders! Damals war ich voller Tatendrang und «Abenteuerfreude»: Endlich darf ich nach dem Studium und der Berufseinführung (damals noch Pastoralkurs genannt) aus dem Vollen schöpfen und als Priester wirken und gemeinsam mit den Menschen in meiner neuen Pfarrei Frauenfeld, in der ich als Kaplan wirken durfte, die Freude am Evangelium leben, teilen und am Reich Gottes in dieser Welt mitbauen. - Heute ist es ein dankbares und erfülltes Zurückblicken auf diese 39 Jahre Seelsorgetätigkeit. Und gleichzeitig werde ich mich in eine «neue Rolle» einüben: Ich werde Priester i.R.u.i.R. sein: Nicht nur Priester im Ruhestand, sondern auch Priester in Rufweite. Gerne werde ich mich als pensionierter Priester für liturgische Dienste zur Verfügung stellen und diese mit Freude ausüben. Aber ich trage keine Verantwortung mehr für eine Pfarrei. Ich darf sie vertrauensvoll loslassen und in andere Hände legen.
Jede Zäsur und jeder Lebensabschnitt bedeuten auch ein Loslassen, das notwendig ist, um für Neues offen zu werden. Loslassen ist auch mit einem gewissen Schmerz verbunden, und das darf so sein! Ich habe immer sehr gerne und mit Freude als Pfarrer in der Seelsorge gearbeitet, keine Frage. Ich habe mich auch nie vor Verantwortung oder vor Entscheidungen gesträubt oder gedrückt. Ich war sehr gerne für meine Pfarrei mit ihren Menschen da, die mir viel bedeuten, mit denen ich «unterwegs» sein durfte, für die ich dankbar bin, die mir ans Herz gewachsen sind. Es wäre darum nicht ehrlich, wenn ich nicht dazu stehen würde – bei aller Vorfreude auf die Pensionierung – dass dieses Loslassen, dieser Abschied nicht auch ein weinendes Auge hätte, neben dem lachenden Auge, das natürlich auch da ist!
«Alles hat seine Zeit, für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit!»
Drei Dinge liegen mir besonders am Herzen, die ich euch hier schreiben möchte:
1. Dankbarkeit: Wenn ich auf meine Aadorf-Tänikon-Zeit zurückblicke, und das sind doch ein «paar Jahre», so bin ich erfüllt von sehr grosser Dankbarkeit! Ich bin dankbar für all die Menschen, mit denen ich als Seelsorger unterwegs sein durfte. Ich bin dankbar für all die Menschen, die mich in meiner Arbeit unterstützt und getragen haben: die Mitarbeiter:innen, die Mitglieder des Kirchgemeinderates und des Pfarreirates, die ehrenamtlich Tätigen und jene, die in den Vereinen eine besondere Verantwortung übernommen haben. Ohne sie alle wäre es nie gegangen. Darum ein grosses DANKESCHÖN an sie! Bitte nehmt es mir nicht übel, dass ich sie nicht einzeln erwähne, die Liste würde zu lange und die Angst, dass ich jemanden vergessen würde, ist vorhanden. Ich darf mit einem grossartigen Gefühl von Dankbarkeit zurückblicken und loslassen…
2. Entschuldigung und Versöhnung: Wo Menschen miteinander im Leben unterwegs sind, da gibt es manchmal Konflikte und Reibereien. «Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann!», so sagt ein Sprichwort. Ja, ich bin mir bewusst, dass ich in all den Jahren der Pfarramtsführung und mit den damit verbundenen Entscheidungen, die ich stets nach meinem besten Wissen und Gewissen zu treffen versuchte, nicht allen Menschen gerecht werden konnte, dass sie sich von mir nicht verstanden oder zu wenig wertgeschätzt fühlten, dass sie mit meiner sehr direkten Art des Gesprächs oder auch mit der versuchten ehrlichen Konfliktlösung nicht klargekommen sind und sich verletzt fühlten. Es ist mir nie schwergefallen, im Bedarfsfall um Verzeihung zu bitten, wenn ich der Verursacher war. Meistens ist das gelungen… Es ist mir ein Anliegen, auch hier an dieser Stelle nochmals um Verzeihung zu bitten, wenn sich jemand verletzt fühlt und das nicht bereinigt werden konnte! Die Barmherzigkeit Gottes und die damit verbundene Versöhnung unter den Menschen sind mir ein Herzensanliegen. Aber für Versöhnung braucht es immer zwei Seiten, die dazu offen und bereit sind. Leider konnte nicht alles bereinigt werden, obwohl ich es mir von Herzen wünschte. Auch ich wurde im Laufe der Zeit verletzt, weil meine ausgestreckte Hand nicht ergriffen oder mein Wunsch nach einem klärenden Gespräch nicht erhört oder angenommen wurde. Leider kann ich das nicht ändern oder erzwingen. Ich möchte einfach sagen: Ich möchte auch euch verzeihen!
3. Zukunft: Unsere Pfarrei St. Aurelia Aadorf-Tänikon ist auf einem guten Weg! Wir sind nicht perfekt (aber wer oder wo ist das schon so?), aber wir müssen uns auch nicht verstecken. Wir dürfen dankbar und vertrauensvoll den Weg weitergehen, im Glauben daran, dass Gott uns mit der Kraft des Heiligen Geistes und mit seinem Segen begleitet. Ab dem 1. August 2025 beginnt ein neues Kapitel: die katholische Kirche Hinterthurgau. Es wird anders, aber wir müssen uns nicht fürchten! Herr Cornel Stadler wird als «Netzwerker» das Leben in unserer Pfarrei koordinieren, mit Impulsen bereichern und gemeinsam mit euch allen gestalten. Das übergeordnete Seelsorge-Team unter der Leitung von Frau Petra Mildenberger und mit P. Gregor Brazerol als leitendem Priester wird die liturgischen Feiern und Dienste gestalten. Es wird anders, aber es geht weiter. Ich bitte euch aus ganzem Herzen, dass ihr Cornel und dem Seelsorgeteam und allen, die in unserer Pfarrei mitarbeiten, das gleiche Vertrauen schenkt, wie ihr es mir immer geschenkt habt. Es wird anders – und ohne mich! Ich habe unserem Bischof Dr. Felix Gmür geschrieben, dass ich per 31. Juli meinen Seelsorgeauftrag dankbar zurückgebe. Ich habe Petra Mildenberger und P. Gregor versprochen, dass ich sie voll unterstütze und im Gebet begleite. Ich habe ihnen auch mitgeteilt, dass ich mich im Bedarfsfall auch gerne für liturgische Dienste im Raum der katholischen Kirche Hinterthurgau zur Verfügung stelle, aber vorläufig nicht für Dienste in unserer Pfarrei! Das ist eine zwingend notwendige Entscheidung, damit wir uns alle daran gewöhnen, dass ich hier nicht mehr der verantwortliche Seelsorger bin. Habt bitte alle dafür Verständnis und respektiert das! Ich danke euch herzlich!
So, damit sind meine Gedanken doch etwas länger geworden als geplant…
Bleiben wir miteinander verbunden und auf dem Weg, wenn auch in einer anderen Form. Bleiben wir verbunden in Christus, in dem wir alle eins sind.
Ich freue mich auf die letzten Wochen als Pfarrer, ich freue mich, wenn viele Menschen den Gottesdienst am 29. Juni gemeinsam mit mir feiern!
In herzlicher und tiefer Verbundenheit
Euer Daniel Bachmann